Wutwürfel

Motiv: Süddeutsche Titelfoto: Jelka von Langen

Motiv: Süddeutsche
Titelfoto: Jelka von Langen

Hengameh Yaghoobifarah ist eine Person mit einer nichtbinären Geschlechtsidentität und benutzt für sich neben dem geschlechtsneutralen „they“ auch weibliche Pronomen und Bezeichnungen. Sie (demnach ok) ist akademisch ausgestattet mit einem Bachelor für ihr Epos von Ewigkeitswert: „Die Farbe Pink im feministischen Diskurs“. Sie ist dick, kleidet und haartrachtet sich eigenwillig und mag nach bieder bürgerlichen Maßstäben ungepflegt wirken. Mimik und Gestik wirken aus der befremdeten Perspektive stets rotzig und charmefrei wie die von etwas widerspenstig Pubertierendem. Angeblich geschlechtsneutral, selbstverständlich, dabei aber doch reichlich gewitterziegenhaft und ständig in allen sozialen Kanälen vertreten wie eine Art Frankensteinchen aus dem Prinzessinnenzimmer, eine Gollummieze unter den inflationären Influencerinnen: Hengameh Yaghoobifarah ist ein „Wutwürfel“, mit oder ohne Pronomen. Ein Wutwürfel, der schreibt. Essays, Kolumnen, dies und das. Für die TAZ zum Beispiel. Oder das Missy Magazine. In stets bewährter Korridorsicht. Gerne wird es "strukturell", weil sich das nur beschwerlich greifen und sachlich diskutieren lässt. Aber das soll und will es ja auch gar nicht.

Jeder, jede und jedes soll bitte mit dem Geschlecht glücklich werden, das passt und oder gefällt. Sechzig oder mehr, wie auf Facebook oder doch noch ganz anders. Egal. Body- und Fashion-Shaming? Nicht mit mir und nicht an dieser Stelle. Einen kritischen Beitrag in Sachen Frisurentracht erspare ich uns ebenfalls als vollkommen kenntnisfrei Unbeteiligter.

Wenn schon über etwas herziehen, dann über ihre so wütigen wie durchsichtigen Pamphlete. Die eigentlich PAMPlete heissen sollten, weil sie so aufdringlich wie übergriffig pampig daherkommen. Der Duden kennt tatsächlich zwei Bedeutungen für „pampig“: „dickflüssig“ und „patzig“. Hier passt irgendwie beides. Herziehen mag ich übrigens nicht über die oft real existierenden Missstände, derer sich der Wutwürfel annimmt, wohl aber über die Methode, die Absicht, die mantrahaft sedierende Egozentrierung, das Kalkül, das über allem sichtbar kreisende Geschäftsmodell: Hier wird Geld verdient mit dümmlich spaltenden Provokationen für ein stichwortreflexgetriebenes, aber reflektionsarmes Klatschvieh, das sich selbst diametral entgegengesetzt als Kooperative total feinnerviger und moralinhärenter Weltenretter verstanden wissen will. Die nüchterne Exegese ihrer hasszerfressenen Verwortlichungen führt unweigerlich in eine barock dekorierte Inhaltsarmut, die einen ähnlich maulschalen Eindruck hinterlässt wie der scheussliche Gratisshot Alcopop eines bizarr aufgezäumten Promotionüberfallkommandos in einer schleswigholsteinischen Landtanzgaststätte, deren treue Stammgäste Gummistiefel bevorzugen, farblich abgestimmt zum John Deere auf dem frischgemähten Parkfeld vor der Fanta-Korn-Scheune. Ohne Deodorant in unrasierten Achseln.

In den letzten Jahren hat sich eine merkwürdige Blase an superprivilegierten Diskriminierungsschaustellern etabliert, die eine nur vermeintliche allgegenwärtige, grauenhafte Scheinwirklichkeit heraufbeschwören, herbeikonjunktivieren, um ihre wirtschaftliche Existenz zu begründen und die ihre eher plump herbeihalluzinierten Schreckensszenarien darum auf Gedeih und Verderb erhalten müssen, egal wie hanebüchen die stützenden Besinnungskonstruktionen dahergeschwurbelt werden. Ihre Apologeten werden es schon immer wieder fressen. Und wer sich verwundert die Äuglein reibt - die Kaiserin ist nackt! - ist ja sowieso ein Nazi.

Mir gefiele es sehr, könnten sich unsere Premiummedien künftig wieder auf ihre alten Tugenden besinnen und sich mit relevanten Inhalten beschäftigen, anstatt sich in den idiotischen Ausfechtungen eines vorgeblich politisch korrekten, aber nur pseudokritischen Haltungsjournalismus zu verausgaben. Journalismus? Nicht einmal das.

Bruno SchulzComment