Enter the Dragon.

Sarkasmus ist Überlebensstrategie. Heute mehr denn je. Eine uralte Kampfsporttechnik zur effizienten Selbstverteidigung der eigenen geistigen Gesundheit. Von den Agorai des antiken Griechenlands, der Wiege aller abendländischer Kultur. Seltener nur Angriff als vielmehr gesunder Reflex auf alle inflationären Bedrohungen in unserem wohlstandsverwahrlosten Alltag. Internalisierte Reaktion auf das dreiste, selbstverständliche Andienen von Schlichtheiten bis hin zu körperlichem Unwohlsein in der sensibilisierten Wahrnehmung, für dumm verkauft werden zu sollen.

Sarkasmus ist kein Ergebnis meditativer Askese in den eremitischen Waldklöstern des abgeschiedenen goldenen Dreiecks, sondern die verwortlichte Handkante in Weltzugewandheit. Ohne Adresse keine sarkastische Botschaft. Man erlauscht in der Mechanik immer auch die knirschende Verzweiflung des Philanthropen auf Abwegen. Irgendwie liebt man ja nicht selten auch ein bisschen das, was man zu hassen vorgibt.

Kritik, Spott, Hohn und Häme. Mal beißend, mal bitter. Satire, Karikatur, Polemik. Lustig auch, aber nicht immer und schon gar nicht für jeden. Der Delinquent kennt verständlicherweise selten Freude in seiner Degradation. Auch nicht in der Wohlverdienten.

Aufwachsen durfte ich in sehr frei denkenden Haushalten, in denen sich die Frage nach dem „Ob“ nie stellte, allenfalls nach dem „Wie“. Man hat es als Kind nicht immer leicht im Außen, wenn die eigene Erziehung in Sachen Respekt nur sehr rudimentäre Grenzen vorsah, solange die Unverschämtheiten halbwegs intelligent verpackt waren. Und so wurde leider nicht immer der zum Opfer, der unbewaffnet zum Duell erschien. Mancher Pauker erholte sich in der nur vermeintlichen Gewissheit, schließlich doch am längeren Hebel gesessen zu haben. Ein ganz spezieller Fall war für mich ein bräsiger Deutschlehrer. Ein selbstgefälliger 1diot, ein provinzieller Schlichtmichel in Breitcord, Pullunder, Schambart und Fünfhaarschiebedach, der mit seiner semipädagogischen Entourage dafür sorgte, dass ich irgendwann nicht nur die Schule, sondern gleich das ganze Bundesland wechseln musste. Fünfundzwanzig Jahre später erreichte mich eine typische Email meines Vaters mit der Betreffzeile „späte Satisfaktion“. Anhängig die Todesanzeige des 1dioten. Respekt vor dem Toten? Warum? Der hatte ihn ja nicht einmal vor den Lebenden.

Mein Vater ist inzwischen verstorben. Er würde jetzt sechsundachtzig Jahre alt werden und er war zwischenmenschlich gewiss kein Heiliger. Ich bin ihm nachgängig ungeheuer dankbar für die 36 Kammern des Sarkasmus, die ich zuhause durchlaufen durfte. Eine spirituelle Sonderleistung. Ein hartes Training. Auch für die Hornhaut gegenüber jenen die meinen, in ihrer selbstverliehenen Deutungshoheit alle Weltenmoral ständig zu verstoffwechseln: was geht und was gar nicht geht. Bruce Lee ließ sich ja auch nicht von Rolf Kaukas Oma Eusebia einordnen, wen er nachzujustieren hatte und wen nicht.

Also? Feuer frei!

Jetzt erstrecht!

Bruno SchulzComment