Prost & more: beiläufige Weinnotizen

Ach, was geht mir dieser oenopathologische Schwachsinn dieser Herkunftspuristen dermaßen auf den Zeiger, die dann auch noch die Rheinhessen und die Pfalz, das schwäbische Stuttgart und das Badische munter durcheinanderwirbeln, als gelte es die Pisamisere bis in genussgeographische Nischenthemen hineinzudokumentieren. Und dann werden auch noch das Terroir und die Typizität gemixt, gerührt und geschüttelt und schon haben wir den Salat, den auch keine Vinaigrette mehr zu retten vermag. Was kommt als nächstes? Der Ariernachweis für Reben und deren Eigner bis in die 8. Generation? Zum Glück halten sich neugierige, genusswillige Enthusiasten nicht lange auf mit solch niedlich patzigem Territorialgebahren und expertisegetarnter Befindlichkeitsspreizungen der Postkartenmaler.

Es steht ja ohnehin längst die Frage im Raum, wie lange wir im Zuge der klimatischen Veränderungen noch auf lokale und regionale Traditionen bestehen können, wenn man das denn überhaupt möchte. Ich kenne Winzer, die schon einige Zeit mit mediterranen Reben experimentieren und inzwischen erstaunliche Ergebnisse erzielen. Man muss das nicht abtun. Viel spannender als die kleinteilige Sortierwut im Lagenpuzzle, das ohnehin die wenigsten beherrschen, ist doch der gekonnte Individualismus und ein Fokus auf die Konsumenten. Nur wenige Branchen gönnen sich die eitle Erwartung, der Knochen müsse gefälligst dem Hund folgen bei zeitgleichem Wehklagen, dass das Klientel überaltere, der Durchschnittsbon erheblich sinke und der Verbrauchernachwuchs außer Sicht gerate. Dass dieser „selbst schuld ist“ bleibt dabei selbstverständlich.

„Die Winzer müssen aufhören, dem Kunden Angst zu machen vor dem eigenen Produkt“, hat Christoph Hammel mal gesagt in einem Interview mit meinem Freund Patrick Hemminger in der verblichenen Schluck. Da hatte er recht. Noch mehr gilt das allerdings für manchen Kritiker der über die unnötige Verkomplizierung sein Existenzrecht erst zu begründen scheint, um dann mit seinesgleichen in der Kürze der Zeit hunderte von Proben durchzunehmen und im erstaunlichen Sekundentakt scharfrichterlich zu be- und verurteilen, um einen Standard zu definieren, der dem Markt etwa so nah ist, wie die Kuh der bemannten Weltraumfahrt. Auch ich bin ja durchaus Fan puristischer Höchstleistungen. Aber eben nicht nur. Da halte ich es schon lieber mit Josef Albers und „wage weiter Varianten“. Mit das Schönste am Wein ist doch die Unerschöpflichkeit seines Spektrums. Und der Durchschnitt von Dreieurovierundsechzig per Liter an der Ladenkasse relativiert ohnehin alles.

Was trinkt ihr so am Wochenende?

Auf Eure Gesundheit.

Bruno SchulzComment