„subtile Botschaft ihrer Emanzipation“

Der letzte Mädchentrend heisst „niedlich“. Außen und im Kopf. Die WELT halluziniert noch von Teenagern, aber die demographischen Grenzen haben sich nach meinen eigenen traurigen Alltagserfahrungen längst aufgelöst. Der Club der „Zaubermäuse“ durchzieht heute alle Generationen und Gewichtsklassen, was unter Umständen die augenscheinliche Wirkung der Oversized-Uniformen humoresk zu beeinflussen vermag. Auch ein Hochschulabschluss ist inzwischen lange nicht mehr Antidot und dokumentiert in dieser Entwicklung seinen inflationären Werteverlust, der sich allenfalls noch nach Fakultät unterscheiden mag.

Der Philosophieprofessor Simon May schrieb 2019 tatsächlich sein Buch im Sujet: „The Power of Cute“. Ja, es geht um die Macht des Niedlichen. May unterstellt, das Überbetonen der Niedlichkeiten brächte das etablierte Macht-Paradigma der Gesellschaft ins Wanken: „weil durch Ironie und Überzeichnung unklar werde – und das beabsichtigt – was das alles eigentlich soll.“ Größer geht es gerade nicht. Und auch nicht lächerlicher.

Eingangs sprach ich von Alltagserfahrung. Und die verdichten schmerzhaft die Gewissheit, dass es um nicht mehr geht als eine Carte Blanche, bei jeder kleinsten Unannehmlichkeit jede Verantwortung fahren zu lassen, wie unkontrollierte Flatulenzen. Das Kindchenschema als Tarnkappe, wenn es darum geht, Stellung zu beziehen. Bei einer Fünfzehnjährigen mag das mit Zähneknirschen durchgehen, Mitte zwanzig ist es seltsam, Mitte dreissig lächerlich, darüber hinaus pathologisch.

Wer auf Augenhöhe wirken und handeln mag, sollte sich nicht dummer darstellen als er/sie ist.

Bruno SchulzComment