von Fledderei (ein Finale)

von Fledderei (ein Finale)

Die Professorin Uju Anya ist „associate professor“ an der Carnegie Mellin University in Pittsburg, USA, für einen Fachbereich rund um den Erwerb von Zweitsprachen. Zu vergleichen ist das mit einer hiesigen C2-Hochschuldozentur mit Zeitvertrag. Geboren wurde sie am 4. August 1976 in Enugu, Nigeria, wo sie auch Teile ihrer Kindheit verbrachte. Ihre Mutter, die sie entgegen allen bekannten, spießigen Lichtbilddokumenten als „rockstar badass“ ausweist, stammt aus Trinidad, der Vater wird ausgeschwiegen. Vermutlich gehört/e er der hauchdünnen privilegierten Oberschicht an. Wie könnte es auch anders sein.

Ihre akademische Karriere machte sie in den Vereinigten Staaten, die die migrierende Familie ohne Zögern aufnahmen. Anya hat zwei Kinder aus einer früheren Beziehung und „dated“ nach eigenem Bekunden heute nur noch Frauen. Sie versteht sich als Aktivistin und Unternehmerin in vielen zeitgenössischen Themen und hat mit ihren zahlreichen Veröffentlichungen wie zum Beispiel dem legendären „Racialized Identities in Second Language Learning:

Speaking Blackness in Brazil“ zu „critical applied linguistics“, „critical sociolinguistics“ und „Genderwissenschaften“ nebst Vorträgen und Artikeln inzwischen Millionen verdient. Amerika kennt da kaum Berührungsängste. Wissenschaft? Kommerz? Egal, man wittert eine Chance und entwickelt seinen Markt. Zu Anyas businesscase gehört die scharfe Provokation und der Klamauk wie die Chili con Carne.

Darum ist für Uju Anya das Sterben der britischen Monarchin Elizabeth II eben auch kaum mehr ein verkürzter Elfmeter ohne Torwart mit doppelt so breitem Tor auf abschüssigem Gelände.

Sie twittert: „Ich habe gehört, dass die oberste Monarchin eines diebischen, vergewaltigenden Völkermordimperiums endlich stirbt. Möge ihr Schmerz entsetzlich sein.“ und „Diese elende Frau und ihr blutrünstiger Thron haben Generationen meiner Vorfahren auf beiden Seiten der Familie gef1ckt, und sie hat eine Regierung beaufsichtigt, die den Völkermord unterstützt hat, den meine Eltern und Geschwister überlebt haben. Möge sie qualvoll sterben.“

Was ich persönlich noch viel weniger ausstehen kann als jede Monarchie selbst, ihre Machtinstrumente und ihre Geschichte, ist deren undifferenzierte Diffamierung als Machtinstrument selbst zu missbrauchen. Da ich davon ausgehen kann, dass die Akademikerin Uju Anya sehrwohl weiß, dass es sich in Großbritannien schon lange 'dejure' um eine konstitutionelle Monarchie und 'defacto' parlamentarische Monarchie handelt, spielt sie bewusst mit populistischen Ungenauigkeiten. Nein, Elizabeth II hat keine Regierung gesteuert, sie war kein Reptiloid, keine tausend Jahre alt und sie hat auch nicht persönlich die Sklaverei erfunden, um Millionen Afrikaner eigenhändig in einem rosafarbenen Omigummiboot über den Atlantik zu rudern.

Es fällt immer dann besonders schwer zu trennen zwischen Person, Rahmen und Geschichte, wenn ein trüber Mix daraus die eigene Agenda und den Geschmack und die Erwartungen der eigenen Fans und Follower bedient. Wie respektabel kann es sein, die eigene Seriosität an den Applaus im Augenblick zu verkaufen, im ewigen Gerangel um Aufmerksamkeitsökonomie. Immer einen obendrauf.

Wie manierenfrei und empathielos muss man eigentlich sein, um sich an einer steinalten Frau abzuarbeiten, die gerade im Sterben liegt. Und nimmt man sie noch so repräsentativ für ein so verkommenes wie überkommenes System?

Warum geht es eigentlich nicht auch mal um das Königreich Benin der Vorfahren, Verwandten und Geschwister, die auf heute nigerianischem Gebiet neben der Fertigung von großartigen Bronzefiguren als Zierde ihrer Hochkultur die Sklaverei im großen Stil längst erfunden hatten, bevor der erste weisse Mann seinen Fuß auf den Kontinent setzte? Tut nichts zur Sache? Stimmt, das ist billiger whataboutism, zugegeben, aber eben auch ein schönes Beispiel für all diese rhetorischen Mätzchen und Augenwischereien.


Bruno SchulzComment