vom Auswandern in Hirngespinnste.

Wie kommt man eigentlich auf die Idee, sich in ein Land absetzen zu wollen, dessen Sprache man nicht spricht. Das man noch nie bereist hat und von dem man nicht die geringste Vorstellung hat. Ist die Not schon so groß?

Ohne die nötigen Mittel, besondere Expertise und jede Fähigkeit zur Umsetzung von Etablierungsstrategien, zu denen man offenbar hirnorganisch ohnehin nicht imstande ist. Wo die Kriminalitätsrate jede Kuschelrockfantasie mühelos atomisiert. Die Nabelschnur zu einem nachsichtigen System zu trennen, das selbst den größten Unfug und brüllende Doofheit toleriert, um sich eine bizarre Existenz in einer Diktatur daherzuträumen und sich auch noch mit Frau und sogar Kind in solche Unwägbarkeiten zu begeben.

Und dann noch klugen Rat zu suchen bei den anderen Abgehängten, die es in ihrer irdischen Pein nur selten weiter schafften als zum nächsten Tresen. „Paraguay, Nicaragua“ … warum eigentlich nicht gleich El Salvador, aus dem jeder fliehen mag, der halbwegs kriechen kann? Naja, vermutlich werden es Botschaft und Konsulat schon richten. Das ist die deutsche Vollkasko, auf die diese Spacken ja vorgeblich verzichten wollen. Dann sollten sie auch konsequent sein und alle Zöpfe abschneiden.

Ich bin in meinem Leben an einigen exotischen Orten gewesen und habe dort regelmäßig ein paar verkrachte Existenzen angetroffen, die mit allergrößten Anstrengungen, bizarren Ideen nebst taschenspielerkrimineller Energie und Mutters Routineüberweisungen bemüht waren, die Unterlippe nur knapp über der Pfütze zu halten. Erfolgsmodelle sind mir aus eigener Aufsicht jedenfalls kaum bekannt.

Nachtrag: meine Großmutter Alwine, Jahrgang 1894 und vom frühen 20. Jahrhundert gnadenlos und volle Breitseite mitgenommen, statuierte immer weise, „wer es hier nicht schaffe, habe es anderenorts noch schwerer“. Damit meinte sie weniger das wirtschaftliche Potenzial, als die Begabung sich zu organisieren. Auch gedanklich. Sie hatte recht.

Bruno SchulzComment