Krieg ist ein Arschloch

In den letzten Tagen lese ich nicht nur auf Facebook und in den Sozialen Medien immer wieder und vermehrt vom abersinnigen Wunsch, die USA, die NATO oder „wenigstens die EU“ mögen zeitnah militärisch in der Ukraine eingreifen. Meist von Leuten, die selbst kaum zum Dienst an der Waffe taugten: „der Ami soll’s dem Russen zeigen“. „Rocky versus Iwan Drago“? Haben die zuviele Law-and-Order-Schinken hollywwoodscher Provenienz goûtiert, Lack gesoffen oder geht soeben das sich langsam auschleichende Testosteron noch einmal so richtig steil mit ihnen?

Sie sitzen tief eingegraben in den Stellungen ihrer heimischen Couchlandschaften in ihren Camouflagejogginghosen und ballen grimmig die Faust, während sie in der anderen das Riedelglas mit dem Primitivo in aktiver Schluckbereitschaft halten. Gratismut oder Rambofantasien?

Vielleicht liege ich ja völlig falsch, aber ich frage mich, zu welcher Passage der Geschichtsbeschulung diese Leute ins Koma gefallen sein mögen?

Krieg gegen Russland also? Größer geht es wohl gerade nicht? Nicht gegen die Ziegenhirten in Afghanistan, gegen vietnamesische Reisbauern oder den einst picklig pubertierenden Irak. Nein, man möchte sich an Russland verheben: achthunderttausend aktive Soldaten, Atomstreitmacht, das flächengrößte Land der Erde. Ich könnte mich tatsächlich nicht eines historischen Falls entsinnen, in dem das je gelungen wäre. Die kaum absehbaren Folgen wären vielleicht final. Möglicherweise eine dumme Idee.

Und ganz offenbar haben die gentrifizierten Altbaustrategen noch nie davon gehört oder gelesen, dass die NATO das Europa östlich des Rheins von jeher als Pufferzone betrachtet und als Kollateralschaden dranzugeben bereit wäre. Auf solche Einwände reagieren die mansplainenden CIS-Paramilitärs entspannt mit einem: „Du hast wohl Schiss?“ Ehrlich? Ja, hätte ich, klar. Um mein Leben. Ich habe nämlich nur das eine.

Die Selbstaufopferungsbereitschaft dieser „Kameraden“ für die Ukraine in allen Ehren, bei anderen geopolitischen Kernschmelzen blieb man ja eher gelassen bis ungerührt, aber lasst mich und meine Familie gerne raus aus Euren rustikal robusten Hau-Drauf-Fantasien und belasst es nicht dabei, unter der entmenschlichenden Abstrahierung „USA“ einen Stellvertreter in die Hölle schicken zu wollen. Schickt doch gleich Eure eigenen Söhne und Töchter als Support oder geht noch besser selbst gleich mit.

Möglicherweise bin ich naiv, aber aus meiner bescheidenen Sicht können die anachronistischen Stahlgewitter kaum richtungsweisend sein. Ich kann mich zumindest in der jüngeren Geschichte kaum eines Falls entsinnen, bei dem die kriegerische Auseinandersetzung dauerhaft eine nachhaltige Befriedung bedingt hätte. Und wer jetzt etwas von „Omaha Beach ist überall“ daherhalluziniert, sollte mal die einschlägigen Bestattungsanlagen der Normandie besuchen, um sich neu zu justieren und einen Maßstab zu finden. Die wirken schlagartig ernüchternd.

Krieg ist immer Schei*e!

Was meint Ihr?

PS: Es ist gut, dass sich unsere pluralistische Demokratie in Sachen Volksentscheide zurücknimmt. Nicht auszudenken …

Bruno SchulzComment