Fermate

Ich mag die Wale. Sie zu betrachten, macht mich ruhig. Ihnen zuzusehen, setzt mich ins Verhältnis und erfüllt mich mit Demut. Und nein, das ist hier keine esoterische Schnurre. Als Kind von fünf Jahren war ich in den frühen Siebzigern mit meinen Eltern und meiner kleinen Schwester in einem Hippie-VW-Bulli in Skandinavien und vor allem in Norwegen unterwegs. Das war damals noch viel mehr als in diesen Tagen eine mystische Landschaft voller Felsen, Wasserfälle, Stabkirchen, Trolle, Elfen, Regen und diffuser Landschaftsmotive. Als wir eines Abends einen Hafen im hohen Norden erreichten, lag da ein erlegter Wal in seinem Blut. Ich erinnere mich auch heute noch sehr genau, über fünfzig Jahre später an die bizarr gruselige Szenerie in der Dämmerung unter pathologiekaltem Kunstlicht. Ich war geschockt, hatte ich doch erst kurz zuvor solche Tiere lebendig in freier Wildbahn erleben dürfen. Ich war völlig unvorbereitet, natürlich. Meine Eltern hätten mich kaum schonen können. Es kam zu überraschend für uns alle. Ein Ankommen im echten Leben. Beide Bilder haben sich eingebrannt und die schreckliche Balance darin macht mich froh, an die Wale in ihrem natürlichen Habitat zu denken. Die Julia hat den schwarzen Gürtel in Origami und mir gerade einen Wal gefaltet aus feinem, handgeschöpftem Papier. Der hängt nun zur Fokussierung über meinem Schreibtisch im LOFT und ich bin glücklich darüber und die kurzen Momente des Innehaltens und der Zeitlosigkeit, die mir Figur und Geste schenken. Als Sinnbild einer dieser wunderbaren Fermaten in meinem Jetzt.

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202302Bruno SchulzComment