von Faulheit.

Dass „Faultiere“ per se einen schlechten Ruf hätten, wäre mir absolut neu. Selbst „faule Säcke“ haben ja heute keinen schlechten Ruf mehr. Man nennt das inzwischen verzeitgeistigt „Work-Life-Balance“ und schon will jeder Trägheitsvortrag vollautomatisch als hochsensible eigenverantwortungsstarke Selbstinobhutnahme verklärt oder als 'Achtsamkeit‘ auch noch spirituell aufgeladen werden.

Faultiere sehen verdammt niedlich aus und produzieren über ihre Abbildung selbstverständlich Aufmerksamkeit und Reichweiten. Nota bene: Kindchenschema mal Grinsegesicht mal erhöhter Klammer- und Kuschelfaktor entfesseln hysterienahe Supersympathien, so sicher wie das Amen in der Kirche. Ihre zeitlupenhafte Existenz verdanken sie weniger bewusstem Nichtstun, als ihrem extrem verlangsamten Stoffwechsel aus der energiearmen Blätterkost in den Baumkronen Süd- und Mittelamerikas. Lateinamerikanischer ‚Mañana-Style’? Das wäre schon die nächste Hohlformel mit Blick auf die Favelas in den apokalyptischen Urbanisationen. Immerhin: die Sonne scheint. Ich erspare uns an dieser Stelle außerdem jede naheliegenden assoziativen Witzeleien über vegane Lebensweisen, was ungefähr auf gleichem Niveau spielte wie der Ausgangspost, eher noch ein paar Ligen darüber. Lassen wir das also.

Oden an die Faulenzerei liegen derzeit im Megatrend. Kein Wunder, dass jeder Rest an schlechtem Gewisssn erodieren muss wie ein Schneemann in der Frühlingssonne. Nichts gegen gelegentliches Abhängen, das ist wichtig für die Energierückgewinnung und zur Sammlung kreativer Ressourcen. Wo allerdings keine Anlagen dazu vorhanden sind, hilft auch kein entspanntes Warten darauf, da hilft nur Routine: ohne Akku - kein Aufladen.

Es ist schon so eine Sache mit dem inneren Antrieb, der sich offenkundig auch verschlafen und verlernen lässt. Unsere Zivilisation wird zusehends auf Trägheit konditioniert. Zumindest ein privilegierter Teil darin, der sich bedienstleisten lassen kann, weil die Altvorderen fleissig gespart haben. Ein bedenkliches Spiel, wenn man sich darauf besinnt, dass die Qualität unserer regionalen Gesellschaft in Ermangelung von Rohstoffen vor allem in der Innovationskraft und Entwicklungsfreude lag und eigentlich noch liegen müsste. Ich erwarte in der gegenwärtigen Situation also eher Stimulanzen zu wissenschatlichem und ingenieursmäßigem Denken, Spaß an der Entwicklung. Nicht zuletzt unserem Klima und dem ganzen Planeten zuliebe.

Es ist übrigens ein Irrglaube anzunehmen, träge „Kulturen“, wenn man sie denn so bezeichnen darf, wären segensreich zu faul sich gegenseitig etwas anzutun. Es ist nur eine Frage der Zeit, dass die sich die Köpfe einschlagen um die paar verbliebenen Ressourcen in Ermangelung von Antrieb und Befähigung, neue Wege zu erkennen und vor allem zu begehen.

Fazit: Ist rumhängen cool? Sagen wir ‚jein‘. Es ist wichtig als eine Art Akklimatisierungsphase. Wie der Bergsteiger, der sich mit Augenmaß für ein paar Tage in Höhenlagen schont, um den nächsten Gipfel zu meistern. Aber der Ruf zum Müßiggang per se, ohne jede Rahmengebung ist eine Carte Blanche für die Verantwortungslosigkeit. Zurück in eine nur vermeintliche Schwerelosigkeit einer fiktiven Kindheit, ganz wie die ergebnisarme Suche der Romantik nach der blauen Blume.

Erfrischt uns doch, statt mit dem Rat den Kopf in den Sand zu stecken, lieber mal mit einem Plädoyer in Sachen Zuversicht. Das würde helfen. Gerade jetzt und in dieser Zeit.

https://www.deutschlandfunkkultur.de/bernd-imgrund-faul-vom-nutzen-des-nichtstuns-dlf-kultur-a52dd542-100.html?fbclid=IwAR2rFjztTNNNA3nOupz9NfVfASbXpF7IWwWQhuhyWBLryIINlr4CH3N445A