Freibadpommes.

Sonntagsmorgens hat man ja endlich mal ein paar Minuten mehr Zeit, seinen sprudelnden Newsstream in den sozialen Medien durchzuwischen und ich staune gerade dann oft nicht schlecht über die galaxienweite Themenbreite der Beiträge auf jedem Niveau.

Und manchmal tauchen eben auch Notizen aus lokalen und regionalen Gruppen auf, an denen man hängen bleibt und ins Straucheln gerät. Da dokumentiert ein mir nicht persönlich bekannter Vater einer mehrköpfigen Familie ein Detail aus deren Freibadtag, was derzeit auch allgemein ein Trendthema zu sein scheint, zu dem eine Ladung Pommes gehört, wie der Geruch von frischgechlortem Haar und der regelmäßige Schnitt der Trillerpfeife des braungebrannten Bademeisters mit dem goldenen Flokati unter dem Poloshirt durch das Grundraunen auf der gesamten Anlage.

Ein kluger Mensch hat mal gesagt, Pommes seien „frittierte Sonnenstrahlen“. Fettiges, salziges Glück, das man anfangs noch gabelt, um es schließlich mit den bloßen Fingern satt in noch fettigere Mayonnaise oder billigen Ketchup zu tauchen bis endlich wirklich alles eingesaut ist. Kein Problem: „ab ins Wasser“, das ohnehin schon kontaminiert ist mit Dingen die wir zwar ahnen, aber eigentlich gar nicht wissen möchten.

Meine privaten Assoziationen zu Freibadpommes sind der endlose Feriensommer, ein Badetuch auf der Liegewiese, Tiroler Nussöl mit Schutzfaktor Null und darum ein leichter Sonnenbrand, die Freundesbande und Zweimarkfünfzig Taschengeld, mit denen man sich Fritten, ein Getränk und noch ein kleines Eis leisten konnte, zum Beispiel ein „Minimelk“. Der perfekte Tag in maximal vorstellbarer Freiheit. Herrlich. Scheiß auf Fernreisen, von deren Existenz wir gar nichts ahnten oder Cluburlauben mit idiotischer Kinderanimation, die jede Eigeninitiative im Keim erstickt. Ein warmherziger, melancholischer Rückblick, der sein jähes Ende findet in der Wiederaufnahme des Posts und seines illustrierenden Lichtbilddokumentes:

Pommes … Ketchup / Mayo … 4,50 Euro.

Kann das sein? Da muss sich doch einer verschrieben haben. Ein Schmierfink hat sich einen Scherz erlaubt? Aber nein, auch der Rest der Karte erinnert preislich eher an die Delikatessenklappe im hochnoblen Opelbad am Neroberg zu Wiesbaden, denn an die Offerten einer Provinzplantsche.

Pommes sind neben Pizza, Eiswürfeln und Kaffee auch als „Gastronomengold“ bekannt, wenn sie nicht eben von einem Tim Raue persönlich vorsortiert und handgeschnitzt mit einer Damast-Katana und seiner zweihundertlagigen Klinge, gefaltet aus 1095er Kohlenstoffstahl und Eisen einer unter Artenschutz stehenden, peruanischen Hochlandknolle abgetrotzt wurden.

Viereurofünfzig heisst mit Eis und Fanta, Muttis Cappuccino und einem kalten Bier für die väterliche Aufsicht in Kürze: „ganz easy, glatt 'nen Fuffi.“

Liebe Leute - das ist mit Inflation nicht schönzulabern. Lasst doch mal die Kirche im Dorf. Könnt Ihr Euch nicht mehr erinnern? Seid Ihr nie Kind gewesen? Ihr sollt natürlich nichts verschenken und es spricht ja keiner von der Frittentüte zu 'ner Mark wie in den späten Siebzigern des letzten Jahrhunderts, aber für zwei Tacken oder von mir aus Zweifünfzig pro kindgerechter Portion sollte es doch wohl gehen.

Dann gerne auch mit einer „Pommes sospeso“ als Idee und in Anlehnung an den caffé sospeso, den man schon mal für den nächsten zahlungsunfähigen Gast mit- und Punkte auf dem eigenen Karmakonto einbezahlen kann.

Im Thread heisst es schnell, man könne ja wohl selbst etwas von zuhause mitbringen. Klar kann man das und das soll man ja auch. Es geht ja auch nicht um jedes Mal. Aber der gänzliche Verzicht auf jede Freibadpommes, lässt mich an einen kindlichen Jahrmarktsbesuch ohne Karussellfahrt und Zuckerwatte denken. Natürlich geht das. Aber will man das wirklich?

Mein Fazit? Die Schere in unserer Gesellschaft klafft ständig weiter auseinander. Und ehrlich? Das gefällt mir überhaupt nicht.

photo: Mike Tryankowski

Bruno SchulzComment