Heute schon 'getortet‘?

Heute schon 'getortet‘?

Die schäbige Masche des ’rhetorischen Tortens' ist in der Kommunikation heute als absoluter Supertrend auf dem Vormarsch und droht bereits, Standard zu werden. Wir finden 'rhetorisches Torten‘ in Talkshows, in der politischen Diskussion, vor allem aber in den Medien, den Sozialen im Besonderen:

Die bewusste 'rechthaberische Fehlinterpretation'. Oft einhergehend mit der Animation eines willfährigen Mobs ewig Zurückgesetzter. Ein mieser Kniff des selbstausweisenden Charakterschweins für mehr Aufmerksamkeit aus fälschlicher Skandalisierung und Denunzierung. Ziemlich eklige Sache, das. Und leider gar nicht mal so selten.

Die Mechanik des 'rhetorischen Tortens’ ist so simpel wie perfide und fügt sich aus der Reduzierung von Beiträgen oder Aussagen auf wirkmächtige Trigger zur fälschlichen Unterstellung von „Sexismus“, Xenophobie“, „Ageism“, „Ableism“, „AfD-Nähe“ etc. pp. … bei stoischer Ignoranz jeden Kontextes, dem stumpfen Ausblenden denkbarer Missverständnisse und damit der absichtlichen Fehldeutung zu Gunsten eines taktisch eingeleiteten Eskalationsautomatismus, begleitet von einer aggressiven Überzeichnung des Attackierten, um diesen unglaubwürdig, lächerlich und zum Paria zu machen, zur 'persona non grata‘.

Die Tortenden, selber eher ranzige Törtchen, machen sowas zur moralischen Selbstüberhöhung und profilneurotischen Selbstbestätigung in der eigenen, konditionierten Echokammer: „schaut alle her, wie untadelig ich geschmeidig daherschreite. Eloquent, attraktiv und blitzgescheit obendrein.“ Eine Art stark verzerrte Menschenrechtlerin Amal Clooney, allerdings nur für so gratismutige wie schlichtmichelnde Couch-Aktivisten.

Sie alle tragen ihre dreimal chemisch gereinigte, strategisch konstruierte Kulissenhaltung vor sich her wie eine schrille Monstranz bei einer jener karnevalhaften, quietschbunten Prozessionen. bei denen man sich selbst des eigenen Glaubens und der eigenen Rechtschaffenheit versichern muss. Ein Schaffen eigener Show-Integrität durch das unlautere Versagen des Kontrahenten Authentischer.

Wenn Lautstärke Wahrheit werden will. Meine Oma Alwine sagte immer: „wer schreit, der lügt.“ Damit hatte sie vielleicht nicht immer Recht, aber dafür immer öfter. Nicht jeder Eklat hat einen ebensolchen zur Ursache. Ein „Haltet den Dieb“ und ein Zeigefinger funktionieren schon immer als Signal in der Menge, dazu bedarf es gar keiner Straftat. Dieses Bild schaffen sogar die Allerschwächsten. 'Rhetorisch Tortende' wissen das ganz genau: die moderne Hexenjagd ist ein sozialmediales Hysteriephänomen.

Und eigentlich geht es nur darum, das eigene Image zu verfestigen, indem die Aussage eines anderen verfälscht wird, um den zu diskreditieren. Selbst strahlen zu wollen durch ein Abdunkeln anderer. Sich besser fühlen, indem man andere schlechtmacht, einem Generalverdacht aussetzt, der sich durch die bewusste Deformation eines Statements bewahrheiten muss. Ziemlich ekelhaft.

Auf Facebook erleben wir das alle regelmäßig. Die wenigsten allerdings als Ziel, weil sie als Reproduktionsautomaten selbst kaum jemals etwas Sinnvolles, geschweige denn Originäres beitragen, dafür aber den Drehmoment im entscheidenden Augenblick abliefern. Als Mob, um „jetzt endlich auch mal was gesagt zu haben“. So! Mit der ganzen Kraft des kleinen, klammen Herzchens. Gefallsüchtiges Klatschvieh aus der Leistungsklasse der Nachtragskategorie: „Das haben wir doch alles nicht gewusst“. Selbstbefreit von allen Reflexionsansprüchen. Jede noch so falsche Solidarität akzeptierend, um nicht allein sein zu müssen, weil sie die eigene Inhaltsleere nicht aushalten können. Oder als ungelenke Überständer einfach nicht zum Schuß kommen.

Da werden beleidigend schamfrei Regeln gebrochen, die zuvor als Bemessungsgröße der fiktiven Schandtat dienen sollten: sexistisches Bodyshaming als Strafe für einen dafür in mühsamer Konstruktion mit noch mehr Phantasie oder Mangel an Sachkenntnis überführten Delinquenten. Methode Freisler.

Solche Nummern passieren ständig, im Kleinen wie im Großen. Am besten lässt man sie vorrüberziehen wie eine halbverhungerte Rotte Wildschweine, die die stolze Eiche nicht kümmern sollte, wenn es die durchflohten Decken an ihr reibt. Nichts wird so heiss gegessen, wie es gekocht wird. Schon lange nicht die Armenspeisung der intellektuell Verwahrlosten durch den Amateur auf der kommunikativen Sahelzone seines Profils. So geht Shitstorm? Nur im Wasserglas! Schmock!

Ist die Torte im Gesicht denn wirklich so schlimm? Eigentlich nicht, mit Rasierklingen darin aber schon.

Und jetzt? Bäuerchen gemacht. Geht wieder.

Die nächste Torte ist schon in der Luft.

Bruno SchulzComment