Vatertag
Vatertag.
Heute ist Vatertag, der hier und da nach Region auch „Herrentag“ und in weiten Teilen der Zone „Männertag“ genannt wird. Davon sich heute Gesellschaften vornehmlich jüngerer Burschen angetrieben, sich gegenseitig mit so reizarmen wie phantasielosen Heldensagen anzubrüllen auf ihrer Suche nach der eigenen Vollnarkose.
Sie marodieren in wahren Heerscharen vorbei an meinem Führerbalkon über der Priegerpromenade, wo ich mich das Defilee der zerebral Entkernten unfreiwillig abzunehmen genötigt fühle. In ihren Leiterwagen transportieren sie ihren Bölkstoff, den ich künftig „Blökstoff“ nennen mag für das akustische Hiroshima, zu dem er seine Verbrenner befeuert und mannsgroße Lautsprecher, deren eigentliche Bestimmung die Beschallung von Festivals hätte sein können. Aus ihnen wabert ein Griesbrei debilster rhythmischer Flachformeln in der Lautstärke eines startenden Kampfjets, dessen untrüglicher Vorteil dagegen ist, alsbald abgehoben und verschwunden zu sein.
Entstanden ist die heutige Form der Vatertagsbegehung übrigens Ende des 19. Jahrhunderts in Berlin und Umgebung, reißbrettkonzipiert und propagiert durch regionale Brauereien aus exklusiv wirtschaftlichen Interessen. Und Bolle säuft mit.
Ganz anders als zum Vatertag in vielen anderen Ländern, bei dem es vornehmlich um den Dank der Kinder für eine Lebensleistung geht, feiern sich unsere „Väter“, aber vor allem solche, die ihre Viralität und ihre Susi noch nicht erfolgreich belegt haben mit ihren „Herrenpartien“ vornehmlich selbst. Seis drum.
Ich hatte ehrlichgesagt gar nicht daran gedacht, bis ich auf die Ursache des Klamauks im Park verwiesen wurde: Vatertag also? Was macht das mit mir?
Meine erste Assoziation ist das großartige Lichtbilddokument eines perfekten Sommertages Ende Juli oder Anfang August, vor beinahe 15 Jahren am Strand zwischen Løkken und Grønhøj an der norddänischen Jammerbucht. Die Sonne scheint, es bläst ein leichter skandinavischer Sommerwind vom Meer her. Gute Zeiten, bester Urlaub. Seit vielen Sommern fahre ich schon regelmäßig nach Vendsyssel, zuerst mit der Familie, später dann mit Freunden oder beidem. In diesem Jahr werde ich noch sechzig Jahre alt und wir haben kürzlich gemeinsam errechnet, dass ich insgesamt wohl etwa zwei Jahre meines Lebens dort verbracht habe. Jeder von hatte immer sein eigenes kleines Ferienhäuschen, wild, ursprünglich und frei von jedem Luxus in den Dünen für sich und die Tage verbrachten wir gemeinsam am Strand und auf Ausflügen.
Mein lieber Freund Christopher, der leider nicht mehr lebt, mein Freund Kai und ich hatten und haben alle Söhne annähernd gleichen Alters. Wir waren vormittags ins kleine Lønstrup gefahren, um dort im Designshop von Bo Bendixen für „alle Mann“ das gleiche „Mannschaftstrikot“ anzuschaffen. Die Jungs hatten sich das gewünscht und wir hielten es augenblicklich für eine fabelhafte Idee von Ewigkeitswert.
An diesem Tag und besonders im Augenblick der Fotografie fühlten wir uns alle stark und stark verbunden und für mich ist das bis heute so.
Das ist Vatertag für mich.