„Depubliziert“? Demaskiert!
„Depubliziert“?
Demaskiert!
Maxim Biller ist ein erfahrener Kolumnist. Ich folge ihm, wie es wohl inzwischen zeitgemäß heisst, schon seit jungen Tagen, initiiert durch seine regelmäßigen „100 Zeilen Hass“ im lange verschiedenen, trendsetzenden Periodikum „Tempo“, Mitte der Achtziger im letzten Jahrhundert. Biller ist nur wenige Jahre älter als ich, damals gerade gut, um sich für ihn zu interessieren, aber nicht alt genug, dass man ihm als junger Mensch nicht mehr zuhören oder vertrauen mochte.
Außerdem ist er hochdekorierter Autor lesenswerter Bücher. Wie zum Beispiel „Im Kopf von Bruno Schulz“. „Das müsse mir ja so gefallen“ ist die immergleiche Replik auf meine Empfehlung dazu und als Reflex Symptom und Diagnose zugleich. Der spontane und dabei nicht selten patzige Auswurf signalisiert in kurzen Worten, keine Ahnung zu haben, dieses Manko aber zwanghaft augenblicklich mit einer Meinung kompensieren zu müssen.
„Die Zimtläden“ meines berühmten Namensvetters „Bruno Schulz“, um den es dabei geht. ist ein Meilenstein. Man muss das Werk, das für mich persönlich ganz sicher zum Kanon der jüdischen Literatur und Weltliteratur des 20. Jahrhunderts gehört, möglicherweise nicht unbedingt kennen, man kann es allerdings nicht nach dem Klappentext beurteilen, sondern muss sich mit den Inhalten und dem historischen Kontext beschäftigen wollen.
Das ist den Leuten heute viel zu anstrengend und es wird von Jahr zu Jahr zunehmend lästig. Darum haben viele Menschen heute ihre Meinung zementiert, bevor sie überhaupt ahnen wie und wozu sie diese ausbilden könnten. Warum denn auch informieren und reflektieren, wenn es doch schon eine fixfertige Agenda gibt, deren Stereotypen seit Generationen eingeschliffen sind. Flachschwellige Parolen erfahrener PR-Strategen einer Terrororganisation und deren Fanclubs für die niederen Instinkte eines leicht mir Ressentiments zu infizierenden Publikums, noch ventilliert durch unsere „Premiummedien“ als reichweitenstarke Erfüllungsgehilfen.
Der ZEIT reicht es inzwischen nicht mehr, mit Auslassungen Stimmungen zu modellieren, die Redaktion hat sich kürzlich entschlossen, eine Kolumne gleich ganz zu „depublizieren“, den aufgewirbelten Staub und die Asche der Vergangenheit schnell wieder aufzusaugen:
Maxim Billers Kolumne „Morbus Israel“, die im digitalen Archiv vorerst noch verfügbar bleibt (https://archive.ph/8w8Sb) ist unbequem. Während ihrer wenigen öffentlichen Stunden in den sozialen Medien hat sie einige Reaktionen provoziert, die von der gleichgestriegelten Redaktion offensichtlich nicht moderiert werden wollten. Lieber keine Stellung beziehen. So wischt man eine wichtige Perspektive lieber einfach weg, um nicht das Verhältnis zur eigenen Klientel unnötig zu strapazieren. Denn die hat die Faxen offenkundig dicke mit diesen Juden, die sie so gerne als Zionisten deklariert, um den inhärenten Antisemitismus dafür vornehmer als „Israekritik“ auszugeben.
Biller hat das in seiner Kolumne gegriffen und demaskiert in seiner gewohnten polemischen Schärfe.
Also? Erst mal lesen, dann meinen. Oder wie es mein streitsüchtiger Vater, ein großer Bewunderer des jüdischen Autoren „Bruno Schulz“, zu Lebzeiten ungwohnt knapp zu statuieren verstand: „Erst kucken, dann kacken.“
Dem ist nichts hinzuzufügen.