"Wer Meer hat braucht weniger"
„Wer Meer hat braucht weniger.“
„Das kann nicht jeder aushalten.“ Mein Freund Kai schaut mich nachdenklich an, nippt einen Schluck Grauburgunder. Er hat uns gastfreundlich für eine Nacht aufgenommen und großzügig bewirtet, knapp vor dem letzten Drittel auf unserer Reise an die dänische Nordwestküste. Wir sind erst spät eingetroffen, haben uns lange nicht gesehen. Da gibt es einiges zu erzählen.
„Wie meinst du das?“ „Du fährst nun schon dein ganzes Leben da rauf. Immer wieder.“ „Ja das stimmt, bei mir ist es nun schon das fünfzigste Mal. Wir haben überschlagen, dass ich zusammengerechnet inzwischen mehr als zwei Jahre in Nordjütland verbracht habe.“ „Und trotzdem zieht es dich immer wieder dahin.“ „Trotzdem? Vielleicht gerade deshalb, ich fühle mich da sehr zuhause.“ „Es ist ziemlich einsam da.“ Wir schenken nach. Ich schneide noch etwas Käse auf. „Vielleicht ist es ja gerade das, ist es das, was ich wirklich suche. Keine Animation. Weder für mich, noch ich für andere. Ich war ja über Jahrzehnte ein ziemlich buntes Zirkuspferd und habe wenig ausgelassen. Inzwischen ist es glücklicherweise etwas ruhiger. Und auf Vendsyssel komme ich schon immer an.“ „Naja, du kennst das nur im Sommer ...“ „ich war hier schon bei Schnee am Strand. Nein, auch die Dunkelheit macht mir keine Angst. Das hat sie nie. Wir kennen uns gut, die Dunkelheit und ich, können miteinander umgehen.“ „Man kann wohl festhalten, dass du da sehr auf dich selbst zurückgeworfen wirst, oder?“ „Man sollte schon mit sich selbst auskommen können und sich genug sein dürfen. Am Meer ist weniger, doch das ist mir genug.“